Interview: Oliver Windhorst für „FREIZEIT“ TUI Magazin, Januar 2011
Stefan Jürgens braucht Urlaub: Der Schauspieler und Musiker kommt gerade aus Österreich von einem mehrmonatigen Dreh der vierten Staffel von „Soko Wien“ (ZDF). Auch seine Solotournee „Alles aus Liebe“ hat das Gründungsmitglied von „RTL Samstag Nacht“ letztes Jahr beendet. Jetzt hat sich der 47-Jährige erst einmal eine Ruhepause verordnet: Zeit, um mit seiner Familie in den Urlaub zu fahren und um neue Kraft für neue Projekte zu schöpfen. 2011 geht es wieder nach Wien, um die nächste Soko-Staffel zu drehen, außerdem schreibt Stefan Jürgens schon fleißig Songs für eine neue CD. Im nächsten Jahr will sich der dreifache Vater dann an die Arbeit für ein neues Soloprogramm machen.
Bedingt durch Ihre zumindest temporäre Dreh-Heimat hatten Sie sich ja bei Ihrem TV-Antritt für die Soko in Wien vorgenommen, eine Reise auf der Donau bis hin zum Schwarzen Meer zu machen. Sind Sie dazu schon gekommen?
Das habe ich bis heute leider noch nicht geschafft. Aber ich war schon im Donaudelta und an ihrer Mündung im Schwarzen Meer. Während einer Drehpause in Bukarest bin ich zweieinhalb Wochen mit einem Leihwagen und zeitweise einem Boot quer durch Rumänien gefahren; einem Land mit unfassbar schönen Landschaften und sehr, sehr freundlichen Menschen. Und die Moldau-Klöster muss man einfach einmal gesehen haben.
Das klingt so, als seien Sie nicht unbedingt ein Fan von Cluburlaub?
Mein letzter Pauschalurlaub liegt 17 Jahre zurück. Kurz nach der Geburt meiner zweiten Tochter. Wir wollten in die Sonne und das möglichst bequem. Also haben wir uns eine Woche in einem ziemlich teuren Clubhotel eingebucht. Nach dem ersten Frühstücksbuffet habe ich mir geschworen, nie wieder so eine Anlage zu betreten. Absolut grauenvoll. Allein der Anblick von Menschen, die halbnackt im Wasser an einer Poolbar sitzen… Wenn ich verreise, möchte ich etwas vom Land sehen. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich nur mit dem Rucksack monatelang durchs Gebirge stiefele. Natürlich suche ich auch Entspannung auf Reisen. Ich möchte beides: Land und Leute sehen, aber zwischendurch ebenso die Möglichkeit zur Einkehr haben.
Wo waren Sie denn das letzte Mal im Urlaub?
Da ich den ganzen Sommer in Wien gedreht habe und dementsprechend wenig Zeit zur Verfügung stand, habe ich einen Mittelmeerurlaub in Kroatien gemacht. Zuvor war ich im Frühjahr allerdings auch schon in Israel unterwegs.
Wie reisen Sie lieber, allein oder mit der Familie?
Ich finde beides wunderbar. Der nächste Familienurlaub geht nach Vietnam; für mich ist es aber auch wichtig, mal alleine unterwegs zu sein.
Familienurlauber oder lonely rider?
Stefan Jürgens legt sich nicht fest.
Was reizt Sie daran, alleine unterwegs zu sein?
Es bleibt viel Zeit, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, die Eigenwahrnehmung wird geschärft. Außerdem findet man als Alleinreisender besser und schneller mit Menschen Kontakt als unter dem „Schutz“ eines Mitreisenden. Man lernt eine Menge Leute kennen und erlebt auch viel mehr.
Sie sind ja auf Tournee auch viel innerhalb Deutschlands unterwegs, haben Sie da Lieblingsstädte?
Seit zehn Jahren reise ich quer durch die Republik, aber der enge Terminkalender auf Tour erlaubt leider keine ausgedehnten Exkursionen. Da ich übers Jahr meinen Tourplan noch mit langen Drehplänen organisieren muss, bleibt dafür einfach zu wenig Zeit. Aber natürlich gibt es Städte, wo man gerne länger bleiben würde, und welche, wo ich mir sage: „Schnell spielen und ab in den Bus!“
Wahrscheinlich werden Sie in die sem Zusammenhang keine Namen der Städte nennen, die bei Ihnen diesen Fluchtinstinkt auslösen?
Den Teufel werde ich tun (lacht).
Den Traum auf einer warmen Sonneninsel zu leben, haben Sie sich ja bereits erfüllt.
Wir haben sechs Jahre auf Ibiza gelebt. Irgendwann haben wir dort unseren Sommerurlaub verbracht und sind dann tatsächlich mehr oder weniger einfach dageblieben. Da ich zu dem damaligen Zeitpunkt beruflich sowieso immer im Flieger saß und beruflich nicht an eine Stadt gebunden war, sind wir das Abenteuer ohne lange Überlegungen eingegangen. Es war ja auch klar, dass das nur eine temporäre Angelegenheit sein konnte; schließlich mussten die Kinder irgendwann auf höhere Schulen wechseln. Wir wollten uns diesen Traum erfüllen, so lange wir noch jung waren, und die Insel hat uns vom ersten Moment gefangen. Selbst im Januar liegen die Temperaturen mittags bei 20 Grad. Man findet unzählige leere, unbebaute Strände und selbst im Hochsommer kann man absolute Ruhe erleben. Die Hochsaison geht ja eh nur ein paar Wochen im Jahr. Es war spannend, unsere Kinder in solch einer Atmosphäre aufwachsen zu sehen.
Inzwischen pendeln Sie ja eher zwischen den „Inseln“ Berlin und Wien hin und her...
Was wirklich ein aufregender Zustand ist. Ich lebe jetzt seit sieben Jahren in Berlin, dieser coolen, modernen Metropole mit dem sympathischen Berliner Mief. Am anderen Ende der Flugstrecke liegt Wien, mit seiner herrschaftlichen Schönheit, das trotz seiner großstädtischen Moderne natürlich auch immer sehr traditionell und angenehm altmodisch sein kann.
Was schätzen Sie an Wien besonders?
Womit man als Deutscher in Wien seine Probleme haben kann, ist auch genau das, was ich an dieser Stadt so liebe: der Wiener Schmäh. Wir Deutschen wollen immer alles gleich am Schopfe packen, Dinge unmissverständlich ausdrücken und sind sehr direkt. Der Wiener ist da ganz anders. Hier regiert eher eine gewisse Lässigkeit in der Lebensführung, die uns auch ab und zu ganz gut tun würde. Es ist der sympathische Zwang, dem Leben seine humoristische Note abzugewinnen. Beispiel: Wenn der Deutsche etwas nicht will, sagt er „Auf keinen Fall!“, der Wiener eher „Net unbedingt“. Gemeint ist aber das Gleiche. Der Wiener sagt auch: „Was uns von den Deutschen trennt, ist die Sprache!“ (Lacht). Ich musste mich bei meinem Antritt bei der Soko Wien erst auf ein paar Dinge einstellen, und ehrlich gesagt hält dieser Prozess bis heute an.
Beruflich Sind Sie auch an mehreren Orten zuhause: Theater, TV, Musik und Bühnenprogramm, brauchen Sie das Tanzen auf mehreren Hochzeiten?
Unbedingt. Ich bin da absoluter Überzeugungstäter und möchte auf keines meiner Betätigungsfelder verzichten. Jedes einzelne bietet unterschiedliche Ausdrucksmöglichkeiten,und gerade das Bühnenprogramm und die Musik sind immer noch Ausprobieren pur. Ich finde es aufregend, mich auf den unterschiedlichsten Feldern auszutoben. Meine Arbeit ist für mich nach wie vor eine Suche und sicherlich gilt für mich das Motto: Der Weg ist das Ziel.
Apropos Ziel, haben Sie noch ein Reiseziel auf Ihrer Wunschliste?
Viele, viele, viele. Ich möchte mit dem Auto nach Lettland oder auch nach Uruguay und Argentinien. Aber auch der Nahe Osten hat mich gepackt. Jordanien, Syrien und Israel sind Länder, in denen ich teils schon war, wo ich aber unbedingt noch einmal hin möchte. Ich reise einfach furchtbar gern.
Jordanien und Syrien sind nicht unbedingt typische Reiseziele, oder?
Das mag stimmen, aber was ist schon ein typisches Reiseziel? Dort, wo es genauso schmeckt wie zu Hause? In Ländern mit ihrer mir unbekannten Kultur und Mentalität lerne ich eine Menge über das Menschsein an sich. Mich fasziniert einfach dieses völlig Fremde und Unbekannte. Darüber hinaus ist Palästina die Wiege der Weltreligionen und man kann dort vor Ort eine Menge erfahren und begreifen über Gründe und Auswirkungen dieses ewigen Konfliktes.
Das Reisen hat dabei ja auch immer einen Bildungsfaktor?
Ja sicher. In einem solchen Urlaub kann man ja auch wunderbar Vorurteile über andere Menschen abbauen. Denn wo geht das besser als in den Ländern, in denen die uns fremden Menschen leben und sich zuhause fühlen? So lernt man übrigens auch selber mal, wie es ist, sich als Gast oder fremd zu fühlen. Ich habe eigentlich nur positive Erfahrungen machen können. Voraussetzung ist allerdings auch, dass man sich nicht wie ein betrunkener Besatzer aufführt. Grundformen der Höflichkeit und der Zurückhaltung sollte man schon beherrschen, die es den Menschen ermöglichen, mit offenen Herzen ihre Türen zu öffnen.
© 2023 Stefan Jürgens